Machtkämpfe, ein revolutionäres Durcheinander, Liebe und Leid. Anthony Bramall dirigiert Giacomo Puccinis „Tosca“ in der Inszenierung von Stefano Poda am Gärtnerplatztheater.
Ein komplexes Spiel, das weder vor Themen wie Fake News noch der #Metoo-Debatte Halt macht: Zweifelsohne ist „Tosca“ ein politisch aufgeladen Werk, dass perfekt in unsere Zeit passt. Tatsächlich spielt das Geschehen aber in der Epoche der Französischen Revolution. Damals haben sich in Italien Machtkämpfe zwischen den Republikanern und den Anhängern der Monarchie zugetragen. In dem Drama von Victorien Sardou, der die literarische Vorlage für Puccinis „Tosca“ lieferte gehört Großgrundbesitzer Angelotti (Timos Sirlantzis) zum Kreis der Leidtragenden jener bewegten Zeit. Er ist aus der Engelsburg in Rom geflohen und sucht nun bei seinem Verbündeten Mario Cavaradossi (Artem Golubev) Zuflucht. Doch die von Baron Scarpia (Noel Bouley) angeführte Polizeitruppe möchte ihn wieder in ihre Gewalt bringen und kennt dabei keine Gnade. Kirchenmaler Cavaradossi bleibt standhaft, selbst Folter kann ihn nicht dazu bewegen, seinen Freund zu verraten. Indessen bringt seine Geliebte, die Sängerin Floria Tosca (Oksana Sekerina) es nicht übers Herz, ihren Angebeteten leiden zu sehen. Scarpia pokert auf ihre Schwäche und stellt ihr Cavaradossis Freiheit in Aussicht. Aber zu welchem Preis?
Treue und Leidenschaft
Düster und kalt präsentiert sich die Welt von „Tosca“ in der Version von Stefano Poda. Es dominieren schwarz-weiß Töne, ein Spiel von Licht und Schatten garniert mit Nebelschwaden. Zu aller Härte der männlichen Gewalt bildet die weibliche Hauptfigur ein Gegengewicht. Zwar mag sie nicht gerade die Vernunft in Person darstellen. Vielmehr empfindet Tosca im Verhältnis zu Mario eine schier grenzenlose Eifersucht. Sekerina bringt die damit einhergehenden Anflüge von Hysterie überzeugend zur Geltung. Doch im selben Augenblick ist da eine große Treue zu Cavaradossi. Beides ruft zuweilen irrationale Entscheidungen bei ihr hervor, was sie auch vor dem Gebrauch einer Waffe nicht zurückweichen lässt. Das eher kleine Orchester des Gärtnerplatztheaters begleitet das Ab und Auf der Gefühle mit rasanten Tempowechseln und feinen Nuancen in der Dynamik. Cavaradossis Leidenschaft entfaltet sich hingegen erst im letzten Drittel des Abends, als er die unausweichliche Tragödie schon kommen sieht. Mit der berühmten Arie „E lucevan le stelle“ bietet Golubev uns eine letzte Möglichkeit zum Durchatmen.
Eine Pirouette zu viel
Während an der künstlerischen Darbietung nichts auszusetzen ist, fehlt es der Inszenierung anfangs noch etwas an Überzeugungskraft. Das gesamte Geschehen dreht sich im ersten Akt um ein riesiges Kreuz in Schräglage und die Bühne dreht sich dabei wie ein Kreisel unermüdlich mit. Ein tiefer Sinn lässt sich darin jedenfalls nicht erkennen. Bei den überflüssigen Pirouetten kommt eher ein unbehagliches Schwindelgefühl auf. Wieder wett gemacht wird dies aber durch eine beeindruckendes „Te deum“, bei dem Orchester und Chor ein klangliches Ausrufezeichen setzen. Raffiniert hebt sich nach der Pause eine Plattform an auf welcher der zentrale Konflikt von Tosca und Scarpia stattfindet. Zeitgleich wird der Blick frei auf das Geschehen einen Stock tiefer. Hier wird Cavaradossi grausam gefoltert. Verdient erntet Sekerinas „Vissi d’arte“ großen Beifall bevor sich im dritten Akt ein riesiger Flügel wie eine Gewitterwolke über die Köpfe der Akteure senkt.
Strahlender Triumph
Toscas Schicksal ist tragisch, vertraut sie doch bis zuletzt darauf, dass Mario nur zum Schein erschossen werden soll. Nach einem heftigen Knall aus dem Off kommt Cavaradossi wie ein zusammengekauertes Lamm aus einer Luke im Boden heraufgefahren. Es bleibt ein Funken Hoffnung, doch alles vergebens. Besonders effektvoll gestaltet sich die Schlussszene, bei der Tosca ihre Verfolger aus dem Nebel heraus wie eine Naturgewalt aus dem Weg bläst. Nach dem Libretto stürzt sie sich voller Verzweiflung von der Engelsburg. Bei Poda ist alles etwas anders: Die Burg bricht zusammen und Tosca erstrahlt als weißer Engel im hellen Scheinwerferlicht. Zusammen mit der gewaltigen Musik lässt sich das fast als Happy End deuten. Trotz allen Leids bleibt ein ewiger Triumph.