The Third Place 2 Be #Nußbaumpark – Kultur als Waffe an einem „Unort“?

Die klare Antwort von Zehra Spindler, der Organisatorin vom Nußbaumpark-Projekt: „Nein, ganz im Gegenteil.“ Das war nicht die Intention hinter dem Projekt. Wie bestimmt viele von euch schon das ein oder andere Mal in der Presse gelesen haben, ist der Park – sagen wir mal – etwas zwielichtig. Hier kommt es beispielsweise zu Drogendeals und aufgrund dieser auch immer wieder zu Razzien durch die Polizei, aber ändern tut sich dennoch nichts. Es gab verschiedene Vorschläge, um den Nußbaumpark in München zu „dekriminalisieren“, einer davon war, bewaffnete Security patrouillieren zu lassen, um die Situation dort unter „Kontrolle“ zu bringen.

Frau Spindler verfolgt allerdings ein ganz anderes Ziel: Sie möchte ihr Projekt nicht als Waffe verstanden wissen, sondern den Park nutzbar und lebenswert für alle machen. Schon jetzt kommen in den Mittagspausen Leute, um Tischtennis zu spielen, während Mütter dort mit ihren Kindern spielen und Obdachlose es sich auf den Parkbänken gemütlich machen. Zehra Spindler möchte aber auch alle anderen, die sich wegen der vielen negativen Zeitungsartikel Sorgen machen, wieder in den Park einladen.

Zehra Spindler hat sich für ihre Projekte schon öfter „Unorte“, wie sie sie nennt, ausgesucht hat. Sie fragt sich, was ist eigentlich das „Unortige“ an diesem Unort? Was kann sie machen, um eben diesen Unort zwischenzunutzen? Wie kann sie daraus einen Third Place, also einen Ort außerhalb der eigenen Wohnung und des Jobs, entstehen zu lassen? Einen Third Place to be,  an dem alle sein wollen, an dem alle sein können und an dem es Spaß macht, sich aufzuhalten. Außerdem fragt sie sich, was ist hier das entscheidende Element, was braucht dieser Platz, um sich zum Besseren zu verändern? Sie orientiert sich dabei am Zeitgeist: Was braucht der Platz und was brauchen die Leute – vom Repair-Café bis hin zu Workshops und Business-Yoga. Lösungen sehen, anstatt immer nur Probleme, das ist ihr Motto. Und das ist etwas, an dem es den MünchnerInnen doch immer noch etwas fehlt, wie sie findet.

In den vergangenen drei Monaten, verbrachte sie täglich viele Stunden im Nußbaumpark, hat das Treiben beobachtet, den Park geatmet. Was ist der Puls? Wie tickt der Park? Und das hat sie herausgefunden: Sie hat eine, wie sie sagt, „ganz besondere Liebe zur Frage, wie ein Ort funktioniert. Denn was du einem Ort gibst, das bekommst wieder zurück.“ Ortkarma, wenn man so will. Und dabei wird auf ein Wort besonderes Augenmerk gelegt: Mehrwert. Denn für jeden soll eine Veranstaltung von Frau Spindler einen Mehrwert haben, jeder soll etwas davon haben und am Ende zufrieden nach Hause gehen.

Häufig stoßen Kulturprojekte auf viel Widerstand. Besonders wenn sie mit musikalischen Veranstaltungen und Menschenmassen verbunden sind, haben die Anwohner oft Angst vor Lärmbelästigung, vor zu viel Menschen, zu viel Dreck, zu viel Müll. Im Grunde einfach zu viel von allem Schlechten. Aber nicht so beim Nußbaumpark: Die (meisten) Anwohner sind schon überzeugt. Die Kirche direkt neben dem Nußbaumpark, Sankt Matthäus: Auch überzeugt. Frau Spindler freut sich besonders über die Herzlichkeit und Offenheit, mit der sie und ihr Projekt in der Kirche begrüßt worden sind. Und was ist mit dem Stadtrat? Ebenfalls überzeugt. Es wurde parteiübergreifend einstimmig für die Umsetzung des Projekts entschieden. Alle sind dafür. Und das trifft sich gut. Denn es sollen ja auch alle kommen und sich austauschen. Alle sind herzlich eingeladen teilzuhaben, egal welcher Nationalität, welcher Generation, welcher Herkunft.

Vielleicht wartet dieses Projekt auch schon auf Frau Spindler seit sie ein Kind ist. Da sie um die Ecke groß geworden ist, ging ihr Vater oft mit ihr in den Park, denn dort gibt es dieses Schachbrett im Boden. Die Spieler haben oft bis zu 30 Minuten über die einzelnen Züge nachgedacht, so konnte ein Spiel schon mal mehrere Stunden dauern. Für ein Kind vielleicht langweilig, aber schon damals fällt Zehra auf: Hier wird das Schubladendenken ausgestellt. Es gibt keine „Klassenunterschiede“, hier kommt der Arzt, mit dem Wohnungslosen, der Juristin oder dem Teilzeit-Jobber zusammen. Und es ist egal, woher du kommst, was du machst und was du bist, alle können zusammen kommen, denn am Schluss heißt es in jedem Fall: Schach matt. Aber vorher, wird sich ausgetauscht, es wird gemeinsam überlegt und niemand fühlt sich fehl am Platz.

Als sich Frau Spindler im Park aufhielt, hat sie sich viel mit den AnwohnerInnen unterhalten, hat nach Problemen gefragt, nach Lösungsvorschlägen. Eine Anwohnerin berichtet von ihrem Unmut über die laute Straßenreinigung – gut, dann gibt es eben mal eine Podiumsdiskussion über die Straßenreinigung – warum nicht? Ihr habt auch Ideen für eine Diskussion, einen Workshop, eine Lesung, einen Vortrag? Dann meldet euch einfach bei Frau Spindler, sie macht ein bisschen Pressearbeit für euch und gibt euch die Präsentationsfläche, für alle Talente, die schon länger in euch schlummern und endlich an die Oberfläche kommen wollen.

Es ist unser Park, der Park der ganzen Stadt und so soll auch die ganze Stadt etwas davon haben und eine Möglichkeit, zum Gelingen des Projekts beizutragen. Denn das Projekt lebt von Dynamik – und der Beteiligung der BürgerInnen. Jeder kann etwas machen, egal, ob es die Großmutter aus der Nachbarschaft ist, die ihre Liebesbriefe aus dem Zweiten Weltkrieg vorlesen will, der Fahrradfan, der einen Workshop zum Fahrradreparieren geben will oder die 15-jährige Milla, die schon immer mal einen Poetry-Slam organisieren wollte. Jede*r kann etwas machen und wenn sie/er will, soll sie/er das auch.

Außerdem wird es Medienkunstexperimente geben, einen Gastrostand, eine Bar, mit besonderem Craft-Beer (allerdings teurer als anti-alkoholische Getränke UND für Kinder gibts extra niedrig-preisige Getränke!), wenn man so will Bayerns erster Craftbeergarten. Zusätzlich wird man sich Spiele ausleihen können, womit Frau Spindler schon gute Erfahrungen gemacht hat: Als sie einmal ein Event in einem Club ausrichtete, lud sie alle ein, etwas eher zu kommen und die Backgammon-Spiele mitzubringen. So fanden sich tatsächlich einige Hipster mit Bart, Nickelbrille und Dutt ein, die nun also die nächsten Stunden bis zum Auftritt des DJs gemeinsam Backgammon spielten. Es wird auch Picknicke geben. Im Prinzip ist das Konzept ähnlich wie im Biergarten: Essen kann jeder selbst mitbringen (kann aber auch am Gastro-Stand gekauft werden) die Getränke werden vor Ort gekauft. Greencity ist ein Koorperationspartner, der Hochbeete aufstellen wird. Da können zum Beispiel Kindergarten-/Senioren-/Vereinsgruppen kommen und die Beete für einen bestimmten monatlichen Betrag mieten und ihre Gewürze oder Ähnliches anpflanzen: Von Kresse, Basilikum, Petersilie bis hin zur Minze oder kleinen Erdbeeren. Geplant ist außerdem eine Kooperation mit Foodsharing.
Da es bereits um 12 Uhr losgeht, hat man auch die Möglichkeit, sich dann schon etwas zu essen auf die Hand zu holen, den Laptop auszupacken und etwas zu arbeiten oder die Mittagspause für etwas Business-Yoga zu nutzen. Denn Frau Spindler und ihr Team  möchten auch gerne die umliegenden Yogastudios und Physioptherapie-Praxen einladen, sich gegen Spende o.Ä. zu engagieren und  Yoga oder Thai Chi-Unterricht zu geben. Es gibt allerdings eine Sache, die wird es ganz gewiss nicht geben: Public Viewing. Eine bewusste Entscheidung und das obwohl zur gleichen Zeit die Fußball WM stattfindet. Es soll der Ort sein, an dem die Leute zusammen kommen können, die keine Lust mehr auf Fußball haben, die einfach einen gemütlichen Abend ohne Public Viewing verbringen möchte.

Was noch außergewöhnlich ist an diesem besonderen Projekt? Alles wird in Zimmerlautstärke stattfinden. Man möchte eben genau die Lärmbelästigung vermeiden, die oft von AnwohnerInnen befürchtet wird und leider auch nicht selten eintritt. Aus diesem Grund wird das Treiben im Nußbaumpark auch immer nur zwischen 12 Uhr mittags und 22 Uhr abends – am Wochenende bis 23 Uhr – stattfinden und Sound gibt es maximal bis 21 Uhr. Niemand soll gestört werden.

Wo außerdem deine Hilfe und dein Engagement gefragt sind: Wenn du alte, schöne und gut erhaltene SITZmöbel bei dir einfach nur rumstehen hast, kannst du sie gerne fotografieren und bei den VeranstalterInnen nachfragen, ob Interesse daran besteht. So kannst du deinem Lieblingsstuhl, der nur rumsteht, der Retrolampe, dem Sitzsack oder einem anderen gemütlichen Sitzmöbel vom Dachboden wieder neues Leben einhauchen. Und am Schluss gibt es mit diesen Möbeln wieder eine Aktion – welche genau, steht noch nicht fest, aber vielleicht eine Auktion, eine Aktion für die gute Sache, für Leute, die nicht so viel Geld haben oder das in eine der umliegenden sozialen Einrichtungen fließt… Und bevor etwas nur rumsteht, wäre es doch schön, wenn diese Sachen woanders nochmal zum Einsatz kommen.

Und zudem habt ihr auch die Möglichkeit, ein tolles Projekt zu unterstützen: Kulturator – „Die gute Dinge Stiftung“. Dieser Verein möchte BürgerInnen mit guten Ideen für ein Ehrenamt unterstützen, dieses umzusetzen. Es wird ein eigenes Craftbeer der Stiftung geben, ebenfalls mit dem Namen Kulturator, von dessen Erlös ein Teil in die Arbeit der Stiftung fließt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bestellt doch besonders viel von diesem Bier!
Macht euch auch ansonsten Gedanken: Wie wollt ihr euren Park nutzen? Was für Ideen habt ihr? Und welches Sitzmöbel verstaubt schon lange im Keller. Wir können alle etwas tun, selbst wenn es nur teilnehmen ist. Frau Spindler sagt dazu: „Tut was für euren Park. Packt mit an.“ Es ist, wie wir spätestens jetzt sehen können, die bessere Alternative zur Security, um den Park wieder allen zugänglich zu machen, die Menschen wieder zusammen und in einen Dialog zu bringen.

Los geht’s Anfang/Mitte Juni, das genaue Datum steht noch nicht, es wird aber auf jeden Fall bis Ende August gehen. Über genauere und spezielle Events könnt ihr euch auch auf dieser Website informieren.

Warum hat das Projekt aber denn nun keinen konkreten Namen? Hipster-Festival Nussbaum 2018 wäre doch gut, Craftbeer-Garten – auch nicht schlecht, aber es ist gewollt, dass es im Grunde keinen Eventnamen gibt. Denn es geht um den Park, nicht um ein bestimmtes Ereignis oder den Veranstalter, sondern darum, an was man sich erinnert und wie es war. Und es ist schließlich ein Unort, ein Name würde doch schon wieder einiges „Ortiges“ haben.

Mit diesen Worten: Lebe der Unort, die Individualität, lebe die Kultur, lebe das Zusammensein, lebe der Austausch und lebe der Nußbaumpark. Wir wünschen euch viel Spaß bei dem vielfältigen und spannenden Angebot und sehen uns dort!

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